Kardiogener Schock - Mein erster Fall und was ich daraus lerne
Manchmal habe ich das Gefühl, Du kannst nie gut genug vorbereitet sein. Und es kam, wie es kommen musste. Vor kurzem war ich an der Versorgung meines ersten Patienten mit kardiogenen Schock beteiligt. Ich möchte hier nicht ins Detail gehen aber meine Learning-Points mit euch teilen, was ich gerne gewusst hätte und was mir geholfen hat.
Fangen wir mal mit den „positiven“ Seiten an. Was hat mir geholfen?
1. Critical Care Echodynamics (gibt einen Kurs mit diesem Namen von SonoABCD - unbezahlte Werbung) - Basiskenntnisse der Echokardiographie haben mir in diesem konkreten Fall an zwei Stellen geholfen: Die LVEF war mit 25% vorbeschrieben, nicht gut, aber auch nicht furchtbar. Mein Echo zeigte eine EF von ca. 10%. Dadurch wurde uns klar, dass hier eine deutliche Verschlechterung der Grunderkrankung vorlag. Mit zwei einfachen Messungen (LVOT-Diameter und LVOT-VTI Kurve) gelang es mir nicht-invasiv das HZV zu bestimmen (1,4l)
2. Eine gute Idee davon, wie man schnell an eine VA-ECMO kommt. Mit meiner Kollegin haben wir unmittelbar nach der Übergabe einen Schlachtplan für den Worst-Case besprochen: Im Reanimationsfall würden wir eine sofortige Notfallverlegung unter mechanischer Thoraxkompression in ein ECMO-Zentrum planen.
Somit konnte ich für mich, ohne viel Erfahrung zu haben, einschätzen wie die Lage ist und wir hatten einen klaren Plan für den schlimmsten anzunehmenden Fall.
Was hätte ich gerne vorher gewusst, bzw. schon mal gemacht?
Das klingt jetzt blöd, aber wir hatten beide bis dato noch nie einen Patienten mit DCM im kardiogenen Schock betreut. Das macht die Auswahl und Dosierung von Vaso- und Inopressoren natürlich denkbar problematisch. Auch am Telefon ist guter Rat teuer. Bisher hat es mir immer geholfen zumindest an der Versorgung eines ähnlichen Patienten einmal beteiligt zu sein. Wir haben uns intensiv über die Vor- und Nachteile der uns zur Verfügung stehenden Optionen ausgetauscht. Natürlich kannten wir uns beide mit Norepinephrin, Dobutamin und Epinephrin aus, in der konkreten Situation mit einem linken Ventrikel der quasi kaum noch pumpt, hatten wir eine enorme kognitive Hürde zu meistern.
Wir haben uns dementsprechend dafür entschieden uns vollkommen um die Verlegung zu kümmern, sodass der Patient schnell in ein Zentrum kommt. Trotzdem bleibt es für mich ein bisschen unbefriedigend nicht „mehr“ gemacht zu haben.
HZV-Messungen - Ich habe bisher nur wenig mit PICCO und ein bisschen mit unkalibrierten HZV-Messungen, allerdings im operativen Kontext gearbeitet. In dieser Situation habe ich nun nicht mehr die Ressourcen gehabt zu überlegen, was davon möglich und sinnvoll wäre. Eine möglichst zeitnahe und kontinuierliche HZV-Messung wäre in diesem Fall sicher anzustreben gewesen, mit dem LVOT-VTI hatten wir aber zumindest erst mal eine schnelle und uns bekannte Methode für die HZV-Messung. Mich mit diesen Verfahren zu beschäftigen, steht allerdings weit oben auf der To-Do-Liste.
Learning-Points:
1. Frühzeitige Kontaktaufnahme mit einem Zentrum. Selbst wenn es nicht zu einer Übernahme kommt, kann man sich hier Rat holen. Viele hatten schon Kontakt zu einem Gift-Informationszentrum. So ähnlich kann es auch mit ARDS, Herzversagen und so weiterlaufen. Die meisten Zentren sind auch sehr hilfsbereit. Ein Problem ist aber der Zeitpunkt des Anrufs. Wenn Ihr die Möglichkeit habt dies zu normalen Arbeitszeiten zu tun: Tut es! Nachts wird die Qualität der Besetzung nicht erfahrener. Facharztlevel wäre hier hilfreich. Assistent:innen geht es ja häufig eher wie Euch.
2. Nicht nur Kinder, auch junge Erwachsene kompensieren lange und gut. Unser Patient war im kardiogenen Schock, daran besteht rückblickend ebenfalls gar kein Zweifel mehr. Alle die ich bisher gesehen hatte sahen aber „anders“ aus. Unser Patient war relativ war, trocken, hatte kein Lungenödem. Die Haut war nicht marmoriert. Das einzige, was mich sehr irritiert hat: Der Patient war immer wieder agitiert und konnte scheinbar nicht so richtig einordnen was wir ihm sagten. Das kann man jetzt auf die Umgebung, mangelnde Kommunikation unsererseits etc. zurückführen, trotzdem bleiben Symptome wie Angst, Verwirrtheit und Agitation typische Schocksymptome, als Zeichen der zerebralen Minderperfusion. Da es keine Einheitliche Definition vom kardiogenen Schock gibt, darf man sich hiervon nicht ins Bockshorn jagen lassen.
3. Frühzeitiges erweitertes hämodynamisches Monitoring
4. Arterie und ZVK!
5. Ziel MAD 65mmHg. Vasopressor der Wahl: Norepinephrin. Zusätzlich ggf. Inodilatator wie Dobutamin. Start low, go slow. Epinephrin kann eine Option sein genau wie Vasopressin (Vasopressin hat den Vorteil, im Gegensatz zur Norepinephrin, dass es die pulmonale Strombahn nicht so stark konstringiert - besser für den RV)
6. Volumen: Bei fehlender pulmonaler Stauung KANN ein VORSICHTIGER Volumenbolus helfen das HZV zu steigern
7. Bei infarktbedingtem kardiogenen Schock: pPCI
8. Textbücher helfen nicht, wenn man sich über den kardiogenen Schock belesen will. Ich habe in zwei Standardwerken nachgelesen (einem Englischen und einem Deutschen), beides große Textbücher. Die fand ich wenig hilfreich. Unten ein paar nützliche Links die ich wesentlich hilfreicher fand.
Das sind meine Take-Home-Points aus einem für mich persönlich sehr unbefriedigendem Fall. Falls ihr gute Quellen (Primär- oder Sekundärliteratur) zum Thema kardiogener Schock und HZV-Messung habt, kommentiert es gerne.
Links:
https://emcrit.org/ibcc/chf/#top
https://emcrit.org/ibcc/rv/#top
https://www.ahajournals.org/doi/full/10.1161/JAHA.119.011991